
Slow Travel – kurzlebiger Trend oder geniales Konzept?
Nach Slow Food klingt Slow Travel wie der nächste Trend, der in spätestens einem Jahr vergessen ist. Warum der Begriff mehr als eine bloße Worthülse ist und was Slow Travel genau heißt, verraten wir Dir in unserem Academic Lifestyle-Blog!
Was bedeutet Slow Travel?
Slow Travel – langsames Reisen. Was genau soll das eigentlich bedeuten? Tatsächlich ist Slow Travel in denselben Kontext wie Slow Food einzuordnen. Beides entspringt der bereits in den 1980er-Jahren entstandenen Slow-Bewegung. Es geht darum, Dinge bewusster wahrzunehmen. Nicht zu hetzen, sondern mit Ruhe zu genießen. Gepusht durch die sozialen Medien wurden beide Ansätze, gemeinsam mit diversen Superfoods, Selbstoptimierungstools und Detox-Tees, zum Trend. Trends halten bekanntermaßen nicht immer, was sie versprechen. Kokosöl beispielsweise wurde in den letzten Jahren als Allheilmittel gegen quasi alles angepriesen – diese Ansicht wurde gerade von einer Harvard-Professorin nach allen Regeln der Kunst zerrissen. Wie also verhält es sich mit Slow Travel?
Slow Travel als alternatives Mindset
Es ist doch so: Beim Reisen an einen fremden Ort gibt es meist zwei Anliegen. Einerseits wollen die meisten Reisenden durchaus die wichtigsten Sehenswürdigkeiten eines Landes oder einer Region besuchen. Andererseits interessieren wir uns auch für das Land, die Kultur und die Menschen. Genau das kommt bei reinen Pauschalreisen auf ausgetretenen Wegen aber oft zu kurz. Wir wissen nach einer Reise oft nicht, wo und wie die Menschen vor Ort wirklich wohnen, was sie wo einkaufen oder wie sie ihre Freizeit verbringen. Viele Touristen bringen es sogar fertig, nach einer Reise in ein fernes Land das politische System ihres Urlaubslandes nicht benennen zu können (kleines Beispiel: Auf den Malediven gilt die Scharia). Die touristische Ignoranz kennt oft keine Grenzen.
Slow Travel ist gewissermaßen eine Gegenbewegung. Es ist der Versuch, mit einer anderen Einstellung ans Reisen zu gehen. Im Vordergrund steht dabei das wirkliche Erleben, es geht darum, einen echten Eindruck vom fremden Ort, seinen Landschaften und seinen Menschen zu bekommen.
“Die eigentlichen Entdeckungsreisen bestehen nicht im Kennenlernen neuer Landstriche, sondern darin, etwas mit anderen Augen zu sehen.”
– Marcel Proust
Gibt es Regeln für Slow Travelling?
Wer sich durch die Slow-Travel-Seiten klickt, wird viel darüber lesen, was genau Slow Travel heißen soll – von sehr allgemeinen Phrasen bis hin zu ganz konkreten Regeln. Diese lauten unter anderem:
- Je langsamer das Verkehrsmittel, desto besser! Am besten ist das Reisen zu Fuß.
- Bleibe Touristenattraktionen grundsätzlich fern!
- Lass Deinen Reiseführer zu Hause und ziehe ohne Plan los.
- Iss nicht in Ketten und ganz besonders nicht im Touri-Viertel der Altstadt.
- Kameras sind tabu, Smartphones erst recht. Digital Detox ist angesagt!
- Suche gezielt Gegenden auf, die über keine touristische Infrastruktur verfügen.
Das klingt schon irgendwie krass, oder?
Slow Travel in der Praxis – ein echtes Zeitproblem
Langsames Reisen ist, wie der Name schon sagt, langsam. Hier kommen viele Reisende in einen Konflikt. Das Konzept klingt gut, die Urlaubszeit ist aber begrenzt.
Man muss also eine echte Grundsatzentscheidung treffen: Möchte man in zwei Wochen möglichst viel sehen, dabei aber die Touri-Brille selten absetzen? Oder möchte man sich auf einen Punkt konzentrieren, auch auf die Gefahr hin, bei der vielleicht einzigen Südamerika-Reise für viele Jahre nur wenige Quadratkilometer zu Gesicht zu bekommen?
Das Motto muss nicht „ganz oder gar nicht“ lauten
In Artikeln und Posts zum Thema Slow Travel schwingt oft versteckt (oder auch ganz offen) Missbilligung gegenüber dem „üblichen Touri-Programm“ mit. Dabei wird eines jedoch vergessen: Wer sich in ein anderes Land begibt, um es sich anzusehen, ist und bleibt Tourist, egal, wie individuell die Reise auch sonst ist. Spätestens, wenn ein anti-touristischer „Geheimtipp“ es in den Lonely Planet geschafft hat, ist er eben nicht mehr geheim. Außerdem: Touristenmassen treten meist nicht völlig umsonst an bestimmten Orten auf, sondern, weil es dort etwas Besonderes zu sehen gibt. Wenn man ganz ehrlich ist, wirkt die die Betonung der eigenen Individualität bei der Welterkundung bei einem Blick in die angesagten Instagram-Accounts oft auch ein kleines bisschen scheinheilig: Man hat den Eindruck, dass der Slow Traveller, der in New York die Freiheitsstatue nicht einmal aus der Ferne betrachtet und den Eiffelturm in Paris links liegen lässt, erst noch geboren werden muss 😀
Vielleicht bietet sich hundertprozentiges Slow Travel tatsächlich am besten in der eigenen Gegend oder in Ländern, die man bereits gut kennt, an. So schließt Du das Gefühl, etwas zu verpassen, aus. Eine echte Auszeit, vielleicht wirklich ohne Handy und Plan, kann den Kopf so richtig durchpusten. Gerade in den Semesterferien oder nach dem Abitur tut es gut, sich einfach nur treiben zu lassen. Nicht umsonst gehen viele erfolgreiche Geschäftsleute regelmäßig für ein paar Tage ins Kloster.
Slow Travel muss aber auch gar nicht zu 100% umgesetzt werden. Slow Travel kann auch einfach als ein Konzept verstanden werden, das den Blick auf das Reisen verändert den Horizont erweitert und in jede Reise integriert werden kann.
Wie slow darf’s denn sein? Slow Travel als Ergänzung zur eigenen Reise
Slow Travel ist deshalb ein sinnvolles Konzept für alle und auch bei Fernreisen, denn Slow Travel-Elemente können eigentlich in fast jeden Urlaub integriert werden. Sightseeing und echtes Erleben müssen sich schließlich nicht ausschließen. Schau Dir zum Beispiel an einem Tag die Altstadt von Prag an und verbringe den nächsten in der Vorstadt, abseits der bevorzugten Touristenrouten. Fahre mal nicht mit der U-Bahn, sondern laufe zu Fuß, auch, wenn auf dem Weg keine Attraktionen liegen. Wer auf Mallorca im Slow Travel-Stil wandert, darf sich trotzdem Palma ansehen.
Slow Travel eignet sich zudem besonders, um Orte ein zweites Mal zu erleben. Wenn Du in einem ersten Urlaub alle Hotspots gesehen hast und Land und Leute Dir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind, bietet sich ein zweiter Aufenthalt abseits der großen Sehenswürdigkeiten an. Dabei hilft es tatsächlich besonders, nicht im Hotel zu wohnen. Du nimmst am Alltag des Ortes viel intensiver teil, wenn Du Dich selbst versorgst oder Restaurants abseits der Touristenmeile aufsuchst.
Was hältst Du vom Konzept „Slow Travel“? Welche Reiseerlebnisse hast Du bereits gemacht? Teile Deine Erfahrungen mit der Thesius-Community in unserem Forum!
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